Skuggi

- ein völlig verkanntes Pferd

 

 
Schwarz, dichte Mähne, die Augen unterm dichten Schopf fast nicht zu sehen.  Skuggi, auf isländisch der „Schatten“.

Er sei faul, hieß es. Und stur sei er auch.
Was ich sehe, ist ein Islandpferd, das sich im Passgang zäh vorwärtsbewegt. Am liebsten Stillstand.

Als ich mit ihm arbeiten soll, beginne ich (wie fast immer) vom Boden aus. - Ich frage ihn, ob er wohl zur Seite gehen kann.
Seine Reaktion darauf zeigt bereits das ganze Ausmaß der Thematik:
Er erstarrt! -

Skuggi will nicht nicht, sondern er hat einfach Angst!
Er hat Angst, schon wieder etwas nicht zu verstehen. Er hat Angst vor dem Nicht-Verstanden werden. Angst, etwas falsch zu machen. Weil …

… ja, weil ihm bisher keiner gesagt hat, wenn er etwas richtig gemacht hat!

 


Skuggi ist kein dumpfes Pferd (die es meiner Meinung nach auch gar nicht gibt), sondern ein ganz sensibles! Die Furcht vor den ungewissen Reaktionen der Menschen hat ihm alle Muskeln festgemacht. Ein Schneckenhaus.

Wir kennen das von uns selbst, - diese Angst, was nun wohl wieder kommen wird! Wir ziehen den Kopf ein, machen uns fest, und hoffen, daß der Kelch irgendwie an uns vorübergehen wird.

In so einer Körperhaltung kann man sich echt nicht freudig motiviert und gelöst vorwärtsbewegen.

Vertrauen? Eigeninitiative? Fehlanzeige!


Mitzi Summers ließ uns auf einer Centered Riding-Fortbildung eine erhellende Übung machen: Eine TeilnehmerIn, die bei der Übungsbesprechung nicht im Raum war, wurde hereingebeten:
Keiner sagt etwas, sie macht etwas, wir antworten mit NEIN, sie macht wieder etwas, Keine Antwort, wieder etwas, wieder NEIN, usw.
Letztendlich blieb unsere Kurskollegin konsterniert stehen und sagte „Jetzt weiß ich echt nicht weiter.“ Sie gab auf.
Diese Übung sollte uns zeigen, was passiert, wenn kein JA eine Aktion bestätigt, sondern lediglich KEINE Reaktion ein Ja bedeutet. Und, klar, daß NEIN „so nicht“ bedeutet. Kein „Ja genau“, „so geht’s“, da ist WARM, da KALT …

So war anzunehmenderweise der Werdegang von Skuggi.

Für ihn ging es nun also vor allem darum, ihm Vertrauen, Selbstvertrauen und Initiative zu vermitteln!
Vertrauen dadurch, daß bereits jedes allerkleinste In-eine-Richtung-DENKEN mit großem Lob und einer JA-Bestätigung erwidert wurde. Toll, Ja, Genau, Soo ist es guut, - und die Bestätigung immer mit echter Begeisterung. *)

Vertrauen, daß ihm nichts aufgezwungen wurde, sondern immer mit ihm im Dialog, in Absprache, agiert wurde. Einfache, aber ganz klare Bewegungsanleitungen, und zwar Schrittablauf für Schrittablauf, - buchstäblich.
Daß auf sein Nachdenken gewartet wurde, ohne ihn zu drängen. Äußerer und dadurch innerer Druck macht „dumm“.

Und Initiative. Daß er sich traut, selbst Vorschläge zu machen. Vorschläge, die mit Interesse aufgenommen werden würden. Sie nicht gleich ersticken. Auch wenn es vielleicht nicht die passenden waren. Die konnten wir daraus ja gelassen immer noch erarbeiten.

Und es war begeisternd, wie er sich erst seeehhr zögernd und doch bald zunehmend mehr und mehr aus seinem Schneckenhaus herauswagte.

Und es war kaum zu glauben: Er hatte richtig schöne Gänge! Und er konnte echt motiviert laufen. Und er wollte nun auch laufen!

Anleitungen traute er nun auch zunehmend.
Er lernte z.B. unter einem quer-gespannten Strick hindurch gehen. Dafür musste er seinen Körper so organisieren, daß er den Kopf überhaupt senken konnte.
Meine Hilfestellung mittels Körperarbeit und meine Anleitungsgesten halfen ihm, den Bewegungsablauf „Kopf senken, unten durch, Kopf und Hals wieder hoch“ zu koordinieren. Am Anfang noch „Häh??“, dann „Ahh, ich weiß wie es geht!“.

Als Körperarbeit halfen u.a. die wunderbare Psoas-Übung (Grüß-Gott-Übung) und das Balancieren des Körpers durch Lösen der Brachiocephalicus-Muskeln und der Schultern.

Diese Herangehensweise kann man stellvertretend für alle Bewegungsabläufe sehen. Also auch für Gangarten-Bewegungsabläufe:
Wie konnte Skuggi seinen Körper koordinieren, damit er gelöster wurde und nicht mehr im Passgang gebunden war? ... Auf diese Weise kamen also mit zunehmender Gelöstheit des Körpers der schöne Trab und Tölt zum Vorschein. Hierfür traute er sich auch mehr und mehr, den Körperanleitungen des (entsprechend koordinierten und koordinierenden) Reiters fein zu folgen. Er lernte, seinen Körper weich und physiologisch zu bewegen. 

Nach dem Aufsteigen, statt sich festzumachen und den Kopf einzuziehen, ein freundliches begegnendes Umschauen zur Kontaktaufnahme mit mir von oben aus, erst auf der einen, dann auf der anderen Seite. Zuerst noch unterstützt durch ein Stückchen Brot. (Sehr motivierend!)

Das Selbstvertrauen wuchs. Skuggi fühlte sich mehr und mehr zuhause in seinem sich immer gelöster und angenehmer anfühlenden Körper.

Er enthüllte sich zu einer echten Persönlichkeit, - mit Witz, eigenem Sinn und Motivation.

Eine Freundin, die ihn schon länger kannte, erkannte ihn fast nicht wieder. - Ein frohes erlöstes Pferd.



Was mir wichtig ist

*) Bestätigung

Es ist wichtig, dem Pferd bzw. sich selbst, permanent bestätigen zu können, daß das, wie es gerade ist oder was es gerade macht, genau das ist, was ich mir vorstelle. Ein dauernder innerer Begleittext, ein „Ja genau“, läuft dabei still in mir ab. Dieses innere „Ja, genau“ kann ich zusätzlich verbal (mehr oder weniger expressiv) bekräftigen.


Damit man etwas permanent bestätigen kann, ist es nötig, eine genaue Vorstellung davon zu haben, wie es sein soll bzw. in welche Richtung es gehen soll. - Ich brauche einerseits das Gesamtbild, wohin ich letztendlich kommen möchte. Und ich brauche den Kern der Dinge, die Wegbegleiter, die immer wichtig sind, nämlich Wohlfühlen, Balance, Gelöstheit, Verbindung, aufeinander achten, Synchronisierung.

Es ist also immer etwas da, was ich bestätigen kann. Sei es der Weg oder das Gesamt-Ziel. Dabei ist der Weg viel wichtiger, als das gesteckte Ziel.


Der Weg enthält für mich auf jeder Entwicklungsstufe mindestens folgende Elemente, die ich bestätigen (loben) kann:


•    Daß das Pferd geistig anwesend hier bei mir ist, - d.h. es nimmt mich wahr, selbst wenn es im Außen zusätzlich etwas Spannendes wahrnimmt. Es vergisst mich nicht, und sich selbst auch nicht. Das Pferd bleibt im Kontakt mit seinem Körper. Wir bleiben im Dialog.
Das Pferd behält seine Erdung, - hebt nicht ab, versinkt aber auch nicht in sich selbst.


•    Daß das Pferd in Balance und vor allem in gelöster Bewegung ist.

Es spult nichts mechanisch ab, sondern ist ganz bei dem Bewegungsablauf, dem jeweiligen Schritt, den es jetzt gerade tut. Seine Schritte justiert es immer genauer auf Balance und Gelöstheit. Die Atmung ist ruhig und ungezwungen. Das Pferd ist ganz bei der Sache, - ohne die Umwelt auszublenden.

 

•    Daß das Pferd etwas versucht, - versucht, mich zu verstehen, versucht, eine Lösung zu finden. Diese Versuche können sehr sehr klein und fas unmerklich sein. Sie müssen in erster Linie wahrgenommen, und außerdem positiv aufgenommen werden. Wenn das Pferd hier in eine andere, als die von mir abgesehene Richtung denkt, kann ich dies weich und ganz nebenbei ablenken, oder sogar in diese Richtung mitdenken. Wichtig ist, daß kein hartes „Nein“ die Motivation im Kern zerstört. Es geht ja immer vor allem um den Wunsch nach Dialog und gegenseitigem Interesse!
 
Das freundliche und ermutigende Abwarten ist dabei der ganz ganz wesentliche Faktor! Mein eigenes Pferd braucht in schwierigen Situationen meist einige Zeit, in der er eine Situation und das Setting ungestört erfassen kann. Zunächst schlägt er zwar meist vor, lieber woanders hinzugehen. Ist mir das Lösen der Aufgabe, das Gehen einer schwierigen Passage im Gelände, aber wichtig, so macht er sich dazu Gedanken und findet eine Lösung für das Problem. Ich muß ihn nur in Ruhe denken lassen (während ich parallel dazu nach einer Plan B- Lösung suche, die dann immer überflüssig ist).
Hat er alles durchgedacht, entscheidet er sich plötzlich entschlossen zum Handeln und löst mit Bravour die Aufgaben.

 


  

 

 

 

 

 

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